Kurzbeschreibung: David Maxwell im Interview mit wbg-Lektor Daniel Zimmermann Daniel Zimmermann: Lieber Herr Marwell, seit wann beschäftigen Sie sich mit dem NS-Arzt Josef Mengele? David Marwell: Obwohl ich schon in meiner Kindheit von Mengele und seinen Vergehen in Auschwitz gehört hatte, wurde er erst zum Fokus meiner Arbeit, als ich Anfang 1985 als Historiker den Untersuchungen des Office of Special Investigations im US-Justizministerium zugeteilt wurde. Ursprünglich waren wir damit beauftragt, Behauptungen zu untersuchen, dass Mengele nach dem Krieg für die Amerikaner gearbeitet haben könnte, aber die Untersuchung weitete sich bald auf den Auftrag aus, ihn zu finden und vor Gericht zu stellen. D. Z.: Als das Team internationaler Spezialisten den als Kriegsverbrecher gesuchten Mengele 1985 in Brasilien aufspürte, war er bereits sechs Jahre tot. Dabei gab es all die Jahrzehnte nach Kriegsende durchaus Kontakte von ihm nach Deutschland. Wer wusste hier von seinem Untertauchen in Südamerika? D. M.: Mengeles Anwesenheit in Südamerika war sowohl bei Einzelpersonen als auch bei deutschen Institutionen relativ gut bekannt. Viele in Mengeles Heimatstadt Günzburg lebende Personen wussten, dass der älteste Sohn der prominentesten Familie der Stadt in Südamerika lebte. Enge Vertraute der Familie halfen dabei, Mengele mit Geldmitteln zu versorgen und einen sicheren Kommunikationsweg zwischen dem Flüchtigen und seiner Familie zu ermöglichen. Auch die deutschen Behörden waren informiert. Als Mengeles erste Frau im März 1954 die Scheidung einreichte, wurde in den Unterlagen angegeben, dass Mengele 1948 »nach Argentinien ausgewandert« sei (tatsächlich war es 1949). Wir wissen auch, dass Mengele im September 1956 bei der deutschen Botschaft in Buenos Aires einen Reisepass beantragte und offenbarte, dass er seit seiner Ankunft in Argentinien unter falschem Namen lebte. Es wurde ihm ein deutscher Pass unter seinem richtigen Namen ausgestellt. Die Staatsanwaltschaft in Freiburg stellte im Februar 1959 einen Haftbefehl gegen ihn aus, seine Auslieferung wurde schließlich im Juni 1960 von den Argentiniern genehmigt – lange, nachdem er das Land verlassen hatte. D. Z.: Ist die Geschichte des Josef Mengele auserzählt, oder glauben Sie, dass sich in den Archiven noch neue Spuren finden lassen? D. M.: Ein guter Forscher ist nie sicher, dass er alle relevanten Aufzeichnungen gefunden hat. Ich würde jedoch behaupten, dass weitere Aufzeichnungen eher in privaten Händen zu finden sind. Ich war überrascht, viele meiner eigenen Memoranden, die mir in den USA nicht zur Verfügung standen, in deutscher Übersetzung im Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden zu bekommen! Dennoch denke ich, dass Aufzeichnungen in privaten Händen die spannendsten Aussichten bieten. Einige Möglichkeiten: Ich schreibe in meinem Buch über den autobiografischen Roman, den Mengele für seine Familie geschrieben hatte. Wir wissen nicht, ob er auch Passagen über Auschwitz enthielt, aber falls ja, ist er nicht aufgetau ..
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