Kurzbeschreibung: Warum haben Sie dieses Buch geschrieben? Als ich den Revolutionen von 1848 zum ersten Mal begegnet bin, war ich auf dem Gymnasium – sie haben mich damals schrecklich angeödet. Die Komplexität, die Vielfalt der Schauplätze und Personen, der Lärm der widersprüchlichen Meinungen und Forderungen wirkten abschreckend auf mich. Schlimmer noch: Sie galten als gescheitert. Komplexität und Erfolglosigkeit sind keine attraktive Kombination. Erst viel später lernte ich diese Revolutionen ganz anders kennen: Ich sah in ihnen das pulsierende Herz des ganzen Jahrhunderts, den Schlüssel zum Anbruch der Moderne in Europa. Und überall sah ich Parallelen zur Gegenwart. So kam es zu diesem Buch. Warum sollten wir uns heute mit den 1848er Revolutionen beschäftigen? Was ist geblieben von 1848/49? Die Fragen, die die Menschen im Jahr 1848 gestellt haben, sind heute nicht aus der Welt verschwunden: Angst um sozialen Abstieg, die Verarmung von Erwerbstätigen, die steigenden Lebenshaltungskosten. Damals wie heute wird darüber gestritten, ob all dies eine Folge der Überregulierung oder der Deregulierung ist oder ob es nicht durch das moderne Wirtschaftssystem, durch den Kapitalismus selbst verursacht wird. Je mehr ich mich in diese Revolutionen vertiefte, desto mehr fielen die Resonanzen und Parallelen mit der Gegenwart auf: Die verschiedenen politischen Interessen kommen nicht miteinander ins Gespräch; demokratische Prozesse haben eine ambivalente Wirkung auf instabile politische Kulturen; das Verhältnis zwischen Politik und Gewalt ist schwer zu entziffern. Damals wie heute erleben wir ein Auf und Ab ohne einen festen Sinn für die Fahrtrichtung; die Verflechtung von zivilen Unruhen mit geopolitischen Spannungen; das Einbrechen von Gewalt, Utopie und Spiritualität in die Politik. Kann auch uns eine Revolution bevorstehen? Im Jahr 2011, als eine Kette politischer Umwälzungen die arabische Welt überrollte, richtete sich die Aufmerksamkeit erneut auf die vergessenen Revolutionen von 1848. Auch im „Westen“ sind in den letzten Jahren zunehmend Symptome der Instabilität zu beobachten – Kammerinvasionen, aufkeimende Protestbewegungen, Querströmungen des Aktivismus in den „sozialen Medien“ – die an die Auseinandersetzungen von 1848 erinnern. Wenn eine Revolution bevorsteht, könnte sie vielleicht ähnlich aussehen wie 1848: schlecht geplant, verzettelt und verstreut, uneinheitlich und voller Widersprüche. ..
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